Wer sind die
„Dukes of the Orient“? Das musikalische Erbe der Melodic-Rock-Band „Asia“
„Dukes of the
Orient“, also zu Deutsch „Herzöge des Orients“, nennt sich eine der vielen
musikalischen Neuerscheinungen, die das für Melodic Rock bekannte italienische
Label Frontiers am 23. Februar auf CD und Vinyl in die Läden gebracht hat. Ein
Name, der für die meisten Hörer unbeschrieben wie ein leeres Blatt sein dürfte,
hinter dem sich aber dennoch eine der bekanntesten Institutionen dieses Genres
verbirgt. Die Etymologie hilft weiter: Das aus dem Lateinischen stammende
Lehnwort „Orient“ kann „Osten“ oder „Morgenland“ bedeuten. „Osten“ heißt aber
auch das assyrische „Assu“ (kann auch „Sonnenaufgang“ bedeuten), das in der
römischen Antike zu „Asia“ wurde und unter diesem Namen eine römische Provinz
in Kleinasien bezeichnete. Bekanntermaßen trägt heute ein ganzer Kontinent
diesen Namen. „Dukes of the Orient“ könnte also auch mit „Herzöge des Ostens“
oder „Herzöge Asiens“ übersetzt werden und letztere Übertragung ist schließlich
die wegweisende.
Die schlicht „Dukes of the Orient“ betitelte
CD – Interpreten- und Albenname müssen als identisch angenommen werden – steht
in direkter Nachfolge zur legendären, 1981 gegründeten Band „Asia“, die 1982
mit ihrem schlicht „Asia“ betitelten Debütalbum auf Basis von Radio- und MTV-Hits
wie „Heat of the Moment“ (Platz 4 der US-Singles 1982), „Only Time Will Tell“
(Platz 17 der US-Singles 1982) oder „Sole Survivor“ das meistverkaufte Album
der US-amerikanischen Albumcharts veröffentlicht hatten: ab März stand die
Schallplatte neun Wochen lang auf Platz 1 und verkaufte bis heute etwa 10
Millionen Tonträger. Zur Gründungsbesetzung dieser „Supergroup“ gehörten John
Wetton (Bass/Gesang), Geoff Downes (Keyboards/Gesang), Steve Howe
(Gitarre/Gesang) und Carl Palmer (Schlagzeug/Perkussion). „Supergroup“
deswegen, weil alle vier Musiker in den 1970ern in schon damals, heute aber
erst recht, legendären Bands des Progressive Rocks gespielt hatten: Wetton u.
a. King Crimson, Uriah Heep, Roxy Music, UK und Wishbone Ash, Howe und Downes
in Yes, (letzterer auch in der Avantgarde-Pop-Band The Buggles), Palmer in
Atomic Rooster und Emerson, Lake & Palmer. „Asia“ machten jedoch einen
stadiontauglichen Melodic Rock amerikanischen Formats (AOR) mit deutlichen
Anleihen bei den jeweiligen Herkunftsbands und mit einer ordentlichen Prise Pop
garniert. Der Erfolg hielt jedoch nicht an, die Gründungsbesetzung überlebte
nur das zweite Album „Alpha“ (1983), denn „Astra“ (1985) wurde bereits ohne
Steve Howe eingespielt und wurde noch nicht einmal betourt. Auch Wetton verließ
darauf die Band, kehrte jedoch 1989 zurück. Bis 1991 tourte „Asia“ in teilweise
unterschiedlichen Besetzungen und versuchten mit dem Albumzwitter „Then &
Now“ (1990, zur Hälfte Hits, zur Hälfte neue Studioaufnahmen) ein Revival. Nach
ausbleibendem Erfolg ging Wetton jedoch
abermals und Keyboarder Downes blieb als alleiniger Motor der Band zurück.
1991 holte Downes für die Arbeit an „Aqua“
(1992) den ihm bereits seit den 80ern bekannten Bassisten und Sänger John Payne
(u. a. Roger Daltrey, CCCP), der fortan für 15 Jahre Wettons Position
übernehmen sollte. Ein Charakteristikum aller seitdem erschienen Alben waren
wechselnde Besetzungen im Studio und auf der Bühne. So wurde „Aqua“ u. a. von
Steve Howe und Carl Palmer, sowie dem langjährigen Saxon-Drummer Nigel
Glockler eingespielt. Allerdings
versanken „Asia“ mit ihren Alben „Aria“ (1994), „Arena“ (1996), „Archiva Volume
1 & 2“ (1996), „Anthology“ (1997), „Rare“ (1999), „Aura“ (2001) und „Silent
Nation“ (2004) kommerziell immer mehr in der Bedeutungslosigkeit, obwohl sie in
der Ära Payne sogar künstlerisch gereift und immer progressivere Wege gegangen
waren: Payne hatte die stilistische Palette um Spielarten wie Hard Rock,
Westcoast, Fusion, Latin, Soul und R´n´B erweitert. Im Lichte dieser frustrierenden
Publikumsresonanz ergriff Geoff Downes also nur zu gern die Gelegenheit, als
John Wetton ihm 2006 ein nochmaliges Angebot zur Wiedervereinigung in
Originalbesetzung machte. Ab hier wurde es für Außenstehende richtig
kompliziert, denn was war geschehen? Downes verließ im Grunde die Band „Asia“
und gründete mit Wetton, Howe und Palmer die Band „Asia“ neu. Wieso? John Payne
hatte zuvor schon Stück für Stück Rechte am Bandnamen aufgekauft und nach 15
Jahren engagierten Einsatzes konnte man ihm das aus einer moralischen Warte
heraus auch kaum abstreiten, andererseits konnte die Originalbesetzung auch mit
gutem Recht auf diesen Namen zurückgreifen. Man einigte sich schließlich: John
Wetton führte die Originalbesetzung noch bis zu seinem Tod im Januar 2017 unter
dem Namen „Asia“ (wobei gelegentlich das Attribut „The Original“ beigefügt
wird, wie etwa auf dem offiziellen Internetauftritt), allerdings stieg Howe
bereits 2013 wieder aus und der todkranke Wetton wurde in seinen letzten
Monaten und nach seinem Tode durch Billy Sherwood ersetzt. Geoff Downes, Sam
Coulson, Billy Sherwood und der nicht mehr von der Band überzeugte Carl Palmer
– das ist alles andere als die Originalbesetzung.
John Payne jedoch ist seit 2007 unter dem
Terminus „Asia Featuring John Payne“ unterwegs. Noch 2006 hatte er die Band GPS
gegründet, die aus der letzten offiziellen „Asia“-Besetzung vor der Reformation
minus Downes bestand: Guthrie Govan – John Panye – Jay Schellen. Diese Band
brachte im gleichen Jahr unter Mitwirkung des Keyboarders Ryo Okumoto (Spock´s
Beard) das Album „Window to the Soul“ heraus, das teilweise Songs enthielt, die
für das kommende „Asia“-Album gedacht waren, als Downes noch in der Band
weilte. Ab 2007 arbeitete Payne mit dem kalifornischen Keyboarder Erik Norlander,
den er 1997 kennengelernt hatte, als „Asia“ auf einem deutschen Prog-Festival
in Bruchsal gespielt hatten und Norlander mit seiner Stammband „The Rocket
Scientist“ Vorgruppe war, an Songs für das Debütalbum von „Asia Featuring John
Payne“, das jedoch lange Zeit auf sich warten ließ. Zwar tourten Paynes „Asia“
fleißig in den USA, jedoch gab es 2009 zunächst nur die schwer zu beziehende EP
„Decoding the Lost Symbol – Part of the Architects of Time Project“. Lange Zeit
war unklar, ob das ein Nebenprojekt sein sollte, bis dann „Americana“ als
Debütalbum angekündigt wurde. Von dem ominösen „Architects of Time Project“ hat
man bis heute jedoch nichts mehr gehört. Im Dezember 2012 wurde mit „Seasons
Will Change“ die erste Single von „Americana“ als Download und Video
veröffentlicht – nur das das Album dann nicht erschien und lange Jahre fast
schon totgeschwiegen wurde. John Payne schien mit Showprojekten in Las Vegas
wie „The Rock Pack“ beschäftigt, Erik Norlander war 2014 aus „Asia Featuring
John Payne“ ausgestiegen und durch Ryo Okumoto ersetzt worden, Jay Schellen hatte
2016 als Tourdrummer zu Yes gewechselt. Im Frühjahr sorgte John Payne für eine
kleine Sensation, als er auf seinem privaten Facebook-Profil ein Foto aus
seinem Studio veröffentlichte, das laut Kommentar beim Abmischen des
„Americana“-Albums entstanden war. Nicht viel später wies „Asia Featuring John
Payne“ auf ihrem offiziellen Facebook-Kanal auf die neu formierte Band „Dukes
of the Orient“ hin, deren gleichnamiges Debütalbum Ende Februar 2018 erscheinen
werde. Am 12. Januar 2018 erschien als erste Single „Strange Days“ als Video/
Download, der dann am 9. Februar das vorab bekannte „Seasons Will Change“ in
den gleichen Formaten folgte. Und hier sind wir wieder an unserem
Ausgangspunkt, den „Dukes of the Orient“, die also nichts anderes als die
alternativen „Asia“ sind – oder sogar die legitimen und originalen, wenn man
der Auffassung folgen mag, dass die „Asia“ um John Payne seit 1991 von einem
bestimmten Standpunkt aus niemals aufgelöst worden sind, sondern nur unter
anderen Namen gewirkt haben. Im Folgenden soll das Album noch besprochen und in
den Kontext der bisherigen Veröffentlichungen eingeordnet werden.
© Christoph
Alexander Schmidberger, 01.03.2018
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